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Unbekannte Verbindungen, Navigation von Bienen
Henning Jessen und Andrew Straw erhalten eine Förderung der VolkswagenStiftung von jeweils knapp einer Million Euro
Die VolkswagenStiftung unterstützt den Chemiker Prof. Dr. Henning Jessen und den Biologen Prof. Dr. Andrew Straw von der Universität Freiburg in ihrer Förderinitiative „Momentum“ mit jeweils knapp einer Million Euro über fünf Jahre. Henning Jessen erhält die Förderung für seine Forschung zu phosphorylierten Metaboliten – Stoffwechselprodukte mit angehängten Phosphatgruppen, die eine wesentliche Rolle in vielen lebenswichtigen Prozessen spielen. Ziel ist es, bislang unbekannte Verbindungen dieser Stoffklasse zu finden und ihre Funktion aufzuklären. Andrew Straw nutzt die Fördermittel für die Entwicklung eines computergestützten Systems, mit dem sich das Flugverhalten von Bienen in ihrer natürlichen Umgebung in hoher Auflösung verfolgen lässt.
Henning Jessen: Suche nach unbekannten Verbindungen
Für die Stoffklasse der phosphorylierten Metabolite sind zahlreiche Beispiele bekannt. Phosphorsäureester etwa sind unter anderem Bestandteile des Erbguts sowie von Inositol-Pyrophosphaten, die als Botenstoffe den Energiehaushalt der Zelle überwachen. Phosphorsäureanhydride finden sich unter anderem im Adenosintriphosphat (ATP), der generellen zellulären Energiewährung. In Bakterien regulieren so genannte Magic Spot Nucleotide, die ebenfalls Phosphorsäureester und Phosphorsäureanhydride enthalten, zahlreiche Stoffwechselprozesse und sind an der Umgehung der Wirksamkeit von Antibiotika maßgeblich beteiligt. All diese Verbindungen weisen eine signifikant negative Ladung der Moleküle und oftmals zugleich eine hohe Instabilität auf.
„Die Entdeckung, Isolation, Beschreibung und Anwendung von Naturstoffen ist ein hochaktuelles Feld. Die Forschung in diesem Bereich fokussiert sich aber fast ausschließlich auf die Entdeckung neuer Moleküle, die nicht sehr polar und weniger instabil sind“, erklärt Jessen. Gemeinsam mit seinem Team hat er jedoch bei der Probenanalyse schon zahlreiche Hinweise auf bislang unbekannte polare und instabile Verbindungen erhalten, denen er nun nachgehen möchte. Mit speziellen Extraktionsmethoden sowie einer milden Analytik wird die Arbeitsgruppe versuchen, genau solche Metabolite anzureichern, zu isolieren sowie deren Funktion zu beschreiben.
Henning Jessen ist seit 2015 Professor für Bioorganische Chemie am Institut für Organische Chemie der Universität Freiburg. Er ist Mitglied in den Exzellenzclustern CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies und livMatS – Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems. Sein Konzept, das nun im Rahmen von Momentum gefördert wird, weist insbesondere zur CIBSS-Forschung enge Bezüge auf und ist im Potenzialfeld Metabolismusforschung der Universität Freiburg angesiedelt. Für seine Forschung zu bakteriellen Stressbotenstoffen hat er 2019 einen Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten.
Andrew Straw: Wie sich Bienen durch ihre Umwelt navigieren
Derzeit gibt es noch keine Technologie, die es Forscherinnen und Forschern ermöglicht, Insekten in deren natürlichen Umgebung mit ausreichend hoch aufgelösten Bildern zu beobachten. Aus Laborstudien ist bekannt, dass bei Arten wie Bienen, Wespen und Ameisen das visuelle Erscheinungsbild von Orientierungspunkten für die gedächtnisbasierte Navigation wichtig ist. Feldstudien haben zudem gezeigt, dass Bienen Routen lernen und immer wieder dieselben Blumen besuchen, wodurch sich ihre Gedächtnisleistung mit der Zeit verbessert. Es sind jedoch neue Technologien erforderlich, um erforschen zu können, was solche Ergebnisse für das Verhalten der Tiere in deren realer Umwelt bedeuten.
Ziel ist es daher, ein computergestütztes Bienenverfolgungssystem für den Außenbereich zu entwickeln und es in die Natur zu bringen, erklärt Andrew Straw: „Dieses System sollte in der Lage sein, Bienen in ihrem natürlichen Lebensraum mit einer Auflösung von Millimetern und Millisekunden über räumliche Skalen von zehn, Hunderten und vielleicht Tausenden von Metern nachzuspüren.“ Darüber hinaus will er eine Ausstellung entwickeln, die Kinder und Erwachsene über dieses so genannte Live-Bienen-Tracking informiert, indem sie unter anderem Flugbahnen sowie eine Simulation der visuellen Erfahrung von fliegenden Bienen zeigt.
Andrew Straw ist seit Januar 2016 Professor für Verhaltensneurobiologie und Tierphysiologie an der Fakultät für Biologie der Universität Freiburg. Er ist Mitglied des Bernstein Center Freiburg (BCF), der zentralen Einrichtung für experimentelle und theoretische Forschung in den Bereichen Computational Neuroscience und Neurotechnologie an der Albert-Ludwigs-Universität. Für seine Forschung zu der Frage, wie Fliegen während des Flugs in ihrem Gehirn Umgebungsinformationen verarbeiten und sich durch ihre Umwelt navigieren, hat er 2012 einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten.