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Verwundet, versiegelt, geheilt
Forschungsteam liefert neue Einblicke in die Selbstheilungsmechanismen der Mittagsblumengewächse
Pflanzen haben effiziente Mechanismen entwickelt, die sie vor äußeren Einflüssen schützen: Weist ihr Gewebe beispielsweise Risse, Schnitte oder Abschürfungen auf, versiegeln Pflanzen die entstandene Wunde zunächst schnell und heilen sie dann. Dr. Linnea Hesse von der Plant Biomechanics Group der Universität Freiburg hat gemeinsam mit Dr. Tim Kampowski und Dr. Jochen Leupold vom Universitätsklinikum Freiburg sowie Prof. Dr. Thomas Speck und Dr. Olga Speck vom Exzellenzcluster „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems“ (livMatS) verglichen, wie effizient zwei unterschiedliche Arten der Mittagsblumengewächse (Delosperma) Wunden versiegeln. Das Team zeigt, dass sich die Blätter von Delosperma cooperi im Zuge der Selbstversiegelung innerhalb der Wundregion stärker zusammenziehen als die Blätter von Delosperma ecklonis. Dies konnten die Forschenden auf das zentrale Leitbündel innerhalb der Blätter zurückführen, welches bei Delosperma cooperi flexibler ist und unter einer größeren Zugvorspannung steht als bei Delosperma ecklonis. Die Ergebnisse hat das Team im International Journal of Molecular Sciences veröffentlicht.
Mittagsblumengewächse verfügen über dickfleischige, wasserspeichernde, also sukkulente Blätter, die eine Anpassung an trockene Standorte ist. Im Vergleich zur Delosperma ecklonis ist Delosperma cooperi an Standorten beheimatet, an denen die Pflanze besonders starkem Trockenstress ausgesetzt ist.
In der Vergangenheit konnten Olga Speck, Linnea Hesse und ihre Kollegen Tim Kampowski und Thomas Speck bereits zeigen, dass die Pflanzenart Delosperma cooperi Wunden versiegelt, indem sie das gesamte Blatt verformt. Wasserverschiebungen im Blatt und eine mechanische Vorspannung des Gewebes treiben diese Bewegung an. Während des Blattwachstums werden die Zellen mit Wasser gefüllt, wodurch die einzelnen Zellen unter Druckspannung stehen. Das Leitbündel in der Mitte des Gewebes, welches das Blatt mit Wasser versorgt, wird dabei wie eine Feder in die Länge gezogen. Wird das Blatt verwundet, tritt Zellsaft aus, die Druckspannungen im Blatt lassen nach und die Leitbündel entspannen sich wieder. Das Blatt zieht sich dabei zusammen, wodurch die Wundränder aufeinandergedrückt werden. Diese Blattverformung ist bei Delosperma cooperi stärker ausgeprägt als bei Delosperma ecklonis.
Die biologischen Selbstheilungsprinzipien von Sukkulenten dienen als Vorbild für Materialsysteme, die Forschende im Exzellenzcluster livMatS entwickeln. Ähnlich wie in der Natur werden diese bioinspirierten Systeme Risse schnell versiegeln und anschließend heilen können. Hierdurch lassen sich die strukturellen und mechanischen Eigenschaften der Systeme wiederherstellen und sie können länger genutzt werden.
Originalpublikation:
L. Hesse, T. Kampowski, J. Leupold, S. Caliaro, T. Speck, O. Speck: Comparative Analyses of the Self-Sealing Mechanisms in Leaves of Delosperma cooperi and Delosperma ecklonis (Aizoaceae). In: International Journal of Molecular Sciences 2020, 21(16), 5768, doi: 10.3390/ijms21165768