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Wie Mikropartikel zusammenfinden

Forscher entwickeln neue Methode, mit der sich dynamische Strukturen von der molekularen Ebene auf die mikroskopische Ebene übertragen lassen

Sep 01, 2020

Mehrere Kolloide bilden nach der Polymerisation der DNA eine größere selbstorganisierte Struktur. Quelle: Jie Deng

Molekulare Strukturen wie die Mikrotubuli kontrollieren in der Zelle essenzielle Funktionen wie ihre Teilung oder Fortbewegung. Die Gerüststruktur, die in Zellen von Pflanzen, Tieren und Menschen vorkommt, setzt sich aus Proteinen zusammen und baut sich dynamisch ständig zeitgleich auf und ab. Dadurch kann die Struktur schnell auf Reize reagieren und sich an die äußeren Bedingungen anpassen. Ein Ziel in der Materialwissenschaft ist, synthetische molekulare Strukturen zu entwickeln, die sich ähnlich anpassungsfähig wie die Mikrotubuli verhalten. Sie könnten die Grundlage für Materialsysteme schaffen, die sich selbst regulieren. Jedoch war es bisher nicht möglich, solche dynamischen Systeme von der molekularen Ebene auf die Materialebene zu übertragen.

Prof. Andreas Walther vom Exzellenzcluster „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems“ (livMatS) und Jie Deng vom Institut für Makromolekulare Chemie der Universität Freiburg haben eine neue Methode vorgestellt, die einen ersten Schritt hierzu darstellt. Mit der Methode können die Forscher die molekulare Selbstorganisation von DNA-Bausteinen über hierarchische Längenskalen hinweg übertragen und damit steuern, dass sich Mikropartikel selbstorganisiert zusammenfinden. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Damit sich in der Zelle verschiedene Bausteine zu größeren Strukturen wie den Mikrotubuli zusammenfinden, bedarf es der biomolekularen Erkennung. So verfügen beispielsweise Proteine über charakteristische Sequenzen, an die eine dazu kompatible Substanz andocken kann. Die neue Methode nutzt das Prinzip der molekularen Erkennung: Die Freiburger Forscher verwenden das Enzym T4-DNA-Ligase, um einzelne DNA-Monomere zu langen DNA-Polymeren zu verbinden. Dazu benötigt das Enzym Adenosintriphosphat als Energielieferant. Das Enzym BsaI, das DNA an bestimmten Stellen erkennen und schneiden kann, spaltet die Bindungsstellen. Dadurch werden die Polymere gleichzeitig gebildet und abgebaut. BsaI schneidet die DNA-Stränge nachgelagert zu der Erkennungsstelle und präferiert dabei keine bestimmte Sequenz. Dadurch erlaubt das System eine flexible Verbindung verschiedener DNA-Bausteine in einer vordefinierten Reihenfolge.

Diese Eigenschaft können die Forscher nutzen, um funktionelle Seitenketten, zum Beispiel Moleküle, miteinander in Kontakt zu bringen: Indem sie an den Enden der DNA-Stränge befestigt werden, können sie miteinander interagieren. Deng und Walther können die Seitenketten so programmieren, dass sie sich an einzelsträngige DNA binden, die an der Oberfläche eines Mikropartikels, eines so genannten Kolloids, befestigt ist. Auf diese Weise kann sich die DNA nach der Polymerisation um mehrere Kolloide wickeln. Dies führt dazu, dass die Kolloide zu größeren selbstorganisierten Strukturen zusammenkommen. Mit ihrer Methode können die Forscher Strukturen bilden, die aus zwei verschiedenen Arten von DNA-Polymeren und selbstorganisierenden Kolloiden bestehen. Die beiden Kolloidtypen verbinden sich in dieser Struktur getrennt voneinander. „So können wir dynamische Systeme erreichen, die natürlichen Strukturen einen Schritt näher kommen“, sagt Jie Deng. "Die Systeme können weiter genutzt werden, um dynamische Materialien zu entwerfen, die mit Zellen interagieren und so Biofunktionen regulieren.“

Originalpublikation:

Jie Deng, Andreas Walther: ATP-powered molecular recognition to engineer transient multivalency and self-sorting 4D hierarchical systems. In: Nature Communications 11, 3658 (2020), doi: 10.1038/s41467-020-17479-9


Nature Nanotechnology Band 15 Ausgabe 11, November 2020.
Illustration: Johannes Richers.
Cover Design: Bethany Vukomanovic.

Ergänzung vom 05. November 2020

Eine künstlerische Interpretation dieser Forschungsarbeit schmückt das Cover der November 2020 Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology.