News
mitrija/stock.adobe.com

News & Presse

Neue Oberflächenbeschichtungen

Forscherteam stellt Molekül vor, das Polymerketten mithilfe von Wärme an Oberflächen binden kann

Sep 06, 2021

Die Publikation wurde auf der Umschlaginnenseite von JACS gefeatured. Illustration: Michal Rössler / livMatS

Polymerbeschichtungen ermöglichen es, die Eigenschaften von Oberflächen gezielt zu verändern, um beispielsweise die Beständigkeit von Materialien, ihre Haftungsfähigkeit, Bedruckbarkeit oder Benetzbarkeit zu verbessern. Dr. Jonas Kost vom Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) und Prof. Dr. Jürgen Rühe, IMTEK und Exzellenzcluster livMatS, sowie Dennis Rusitov und Alexander Bleiziffer vom Exzellenzcluster livMatS der Universität Freiburg stellen im Journal of the American Chemical Society (JACS) eine neue Methode vor, durch die sich Polymerketten zu dreidimensionalen Netzwerken verbinden lassen, um innovative Beschichtungen herzustellen. Hierbei kommen bestimmte Moleküle zum Einsatz, die sich durch einfache Auftragungsprozesse wie Tauchen oder Schleudern dünn auf unterschiedliche Oberflächen aufbringen lassen. Die neue Methode zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ein moderates Erwärmen ausreicht, um die Moleküle zu aktivieren und die Polymerketten gleichzeitig zu vernetzen und an die Materialoberfläche zu binden. Das ermöglicht neue Anwendungen von besonders stabilen Polymerbeschichtungen in der Biotechnologie oder Mikrosystemtechnik.

Das von den Forschenden verwendete Vernetzermolekül PEDAz basiert auf einer Diazophenylestergruppe und kann mit verschiedenen Comonomeren ein Polymer bilden. Wird die Diazophenylestergruppe mittels Wärme aktiviert, spaltet sich der darin enthaltene Stickstoff ab und eine reaktive Kohlenstoffverbindung, ein so genanntes Carben, wird gebildet. Dieses Carben reagiert schnell mit einer Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung einer benachbarten Polymerkette und bildet so einen Verknüpfungspunkt zwischen zwei Ketten. So können nach und nach alle Ketten miteinander und mit der Substratoberfläche verbunden werden. In der Chemie wird dies als Vernetzung unter C-H Einschubreaktion (C-H insertion crosslinking; CHic-Reaktion) bezeichnet. Das Vernetzermolekül funktioniert also wie ein Bindeglied unter den Polymerketten.

Die CHic-Reaktion ist universell einsetzbar, insbesondere auch bei sonst schwierig zu modifizierenden Kunststoff- und Biomaterialoberflächen. Sie wird aber bisher vor allem bei chemischen Verbindungen angewendet, die sich mit Licht aktivieren lassen. Doch solch eine Aktivierung ist nicht bei allen Materialien möglich, beispielsweise wenn die Materialschichten zu dick sind oder kein Lichtzutritt möglich ist. Mit dem neuen Vernetzermolekül, das mit Wärme aktiviert wird, kann die CHic-Reaktion auch in solchen Situationen zum Einsatz kommen.

Mithilfe des Vernetzermoleküls und des Comonomers N,N Dimethylacrylamid (DMAA) konnten die Forscher ein Polymer herstellen, dass sich zum Beispiel als dünner Film auf der Innenseite eines Schlauches anbringen lässt. Nach Vernetzung und Oberflächenanbindung durch die CHic-Reaktion weist diese Beschichtung eine hohe chemische und mechanische Stabilität auf. Polymere auf Basis von DMAA erschweren das unspezifische Anhaften von Biomolekülen, sodass die beschichtete Innenseite danach proteinabweisende Eigenschafen zeigte, anders als der Rest des Schlauchs. Dies ist insbesondere bei biologischen und biomedizinischen Anwendungen wichtig.

Mit dem Polymer ist auch eine einfache Heißstrukturierung von Oberflächen möglich. Dabei wird die Oberfläche mit einem dünnen Film des Polymers überzogen, und ein beheizter Stempel wird, ähnlich wie ein Brandeisen, kurz auf die Oberfläche gedrückt. Nur an der Kontaktfläche findet eine schnelle Vernetzung und Oberflächenanbindung statt, wohingegen das restliche Polymer unvernetzt abgewaschen werden kann. So lassen sich sehr einfach strukturierte Oberflächen erhalten.

„Wir haben erst damit begonnen, durch Temperatur ausgelöste Vernetzungsreaktionen und die Möglichkeiten, die sie bieten, zu erforschen. Diazophenylestergruppen sind eine Verbindungsklasse, die bisher fast ausschließlich in der organischen Chemie verwendet werden“, sagt Dennis Rusitov. „In unserer Arbeit zeigen wir ihre Nützlichkeit in der Polymerchemie und berichten von ersten Anwendungsmöglichkeiten, beispielsweise in der Biomedizin“, ergänzt Alexander Bleiziffer.


Publikation: Kost, J., Bleiziffer, A., Rusitov, D., and Rühe, J. Thermally Induced Cross-Linking of Polymers via C,H Insertion Cross-Linking (CHic) under Mild Conditions. Journal of the American Chemical Society 2021 143 (27), 10108-10119.
DOI: 10.1021/jacs.1c02133